Interview mit Gravenreuth Programme
"Gravenreuth" dürfte vielen ein Begriff sein. Bekannt als gefürchteter und erbarmungsloser Raubkopierer-Jäger und Abmahn-Spezialist stand der Münchner Anwalt Günter Freiherr von Gravenreuth schon oft im Rampenlicht der Presse - vom Focus bis zum Spiegel.

Geldverdienst.de-Betreiber Stefan Zwanzger besuchte den Anwalt am 15.1.2002 in seiner Münchner Kanzlei und sprach mit ihm über Crackz, Pornographie, Schneeballsysteme und alles andere, was man als Partnerprogramm-Teilnehmer und Webmaster beachten sollte...


Günter Freiherr von Gravenreuth

Freiherr von Gravenreuth
in seiner Münchner Kanzlei


Geldverdienst.de: Herr von Gravenreuth, wie sind Sie denn biographisch zum Thema Internet gekommen?

Gravenreuth: Ich habe Ende der Sechziger Jahre noch mit Lochkarten auf einer Cyber175 programmieren können und da hat man die Bits noch einzeln gesehen!


Geldverdienst.de: Man kann sich ja von den Links auf der eigenen Homepage distanzieren. Unter welchen genauen Umständen geht denn das?

Gravenreuth: Gar nicht. Es gibt Rechtsprechung, die besagt, daß ein Warnhinweis sogar ein Indiz für ein Unrechtsbewußtsein ist. Wer also in Mißverständnis dieser Steinhöfel/Best-Entscheidung das LG Hamburg zitiert, dokumentiert sogar sein Unrechtsbewußtsein. Das ist genauso, wie wenn ein Tabakladen keine Haftung für die dort verkauften rauchbaren Stoffe übernimmt und dann Haschisch verscherbelt.


Geldverdienst.de: Also man muss für seine Links sehr wohl haften?

Gravenreuth: Man muss es differenzieren: Links sind erstmal nur Teil des eigenen HTML-Codes. Man muss unterscheiden zwischen Haftung für Links und Haftung für verlinkte Seiten. Denn die verlinkte Seite ist der fremde Content, der Link ist der eigene.


Geldverdienst.de: Demnach ist ein Link an sich ja überhaupt nichts Schlimmes...

Gravenreuth: Genau. Wertneutral.


Geldverdienst.de: Aber die verlinkte Seite kann das doch sein...?

Gravenreuth: Da ist jetzt die Frage, was Sie unter "verlinkter Seite" genau verstehen: der Text, der dort steht bzw. den man auf dem Bildschirm sieht oder die URL, die hinter dem Text steht.


Geldverdienst.de: Nehmen wir die URL. Diese steht jetzt beispielsweise in Konflikt mit deutschem Recht und man verlinkt auf selbige. Ist das dann ein Problem?

Gravenreuth: Also wenn es sich aus dem Text der URL schon ergibt, daß es kritisch ist, sagen wir mal eine AdolfHitler.com, wäre es wohl auch nach deutschem Recht kritisch. Wenn dort aber textmäßig beispielsweise nur Information.com steht und man landet bei Gary Lauck, ist der Text der Verlinkung selber erstmal harmlos.


Geldverdienst.de: Wie ist denn nun das Strafmaß, wenn man auf AdolfHitler.com verweist oder auf HardcorePorno.de beispielsweise...?

Gravenreuth: Pornographische Schriften: Freiheitsstrafe bis zu ein Jahr oder Geldstrafe. In Kombination mit Minderjährigen Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren.


Geldverdienst.de: Wie steht es denn um Hackertools, Hackertricks und Downloads?

Gravenreuth: Da bestehen im Moment gesetzgeberische Bemühungen, derartige Sachen zu unterbinden, wobei hier die Grenzziehung zwischen Test-Tools und Hacker-Tools sehr sehr schwierig wird. Denn ein "Port Scan" kann ja schlicht und ergreifend auch zur Sicherheit des eigenen Systems eingesetzt werden, genauso wie zur Nutzung von Hacker-Funktionen.


Geldverdienst.de: Was ist denn, wenn der Anbieter auf der Seite explizit wirbt dafür, daß es sich um Hackerprogramme handelt? Macht man sich dann nicht strafbar, daß man die Leute zu einer illegalen Handlung animiert?

Gravenreuth: Geworben wird mit sehr sehr viel. Es gab einen Buchtitel "Hacker, Cracker, Datensammler" - eigentlich ein recht schöner Buchtitel - aber über "Hacker" stand eigentlich überhaupt nichts drin, das war eine Story über Raubkopierer.


Geldverdienst.de: Ist also vollkommen legal...?

Gravenreuth: Das würde ich so nicht sagen, ein reißerischer Buchtitel bzw. eine Werbung in dem Zusammenhang kann irreführend und als solche angreifbar sein! Es ist halt immer die Frage: Brotmesser sind auch zum Töten geeignet.


Geldverdienst.de: Aber wenn eine Seite schreibt: "Kaufen Sie bei uns Messer, um Ihren Lebenspartner zu töten!" Was dann?

Gravenreuth: Da kommen wir in die Abgründe des deutschen Wettbewerbsrechts hinein. Das wäre dann wohl eine für den Verbraucher "erkennbar übertriebene" Werbung, die dann nachher nicht mehr als "irreführend" gewertet wird.


Geldverdienst.de: Sie kennen ja diese Schneeballsysteme, bei denen man über mehrere Ebenen verdient. Ist so etwas in Deutschland legal?

Gravenreuth: Es kommt darauf an, wie das Schneeballsystem aufgebaut ist. Wenn es eine betrügerische Konstruktion ist, bei der man nur oder überwiegend deswegen wirbt, damit irgendjemand anderes irgendeinen Einstand zahlen muss, so daß nachher das ganze System nur dadurch aufrechterhalten wird, daß irgendwelche Leute wieder hinzukommen um irgendetwas einzuzahlen, ist es unzulässig! Es gibt aber ähnlich gestaffelte Vertriebsstrukturen - die gab es auch schon bei Tupperware vor Jahren - wo eben der Generalvertreter mehr verdient als der normale Vertreter, weil dieser halt nachher an den Umsätzen der Untervetreters mitbeteiligt ist. Das darf sein, denn hier kommt das Geld über den Verkauf und nicht über das Werben von Mitgliedern für das System.


Geldverdienst.de: Wenn also kein Geld eingesetzt werden muss, ist so ein Multilevel-System wie bei den Partnerprogrammen legal. Richtig?

Gravenreuth: Wenn man nichts zahlen muss oder wenn für Zahlungen eine Gegenleistung kommt, dann ist es legal. Ein normales gestaffeltes Handels- vertretervertriebssystem eben, jeder verdient ein bißchen was!


Geldverdienst.de: Online-Casinos dürfen ja in Deutschland nicht existieren! Wie steht es dann um die Haftung, wenn man auf ein ausländisches Online-Casino verlinkt und schreibt: "Spielt mit!" ?

Gravenreuth: Wenn man mit "Spielt mit!" wirbt, kann es zu einer "Mitstörer"haftung führen, denn man fördert den Absatz des ausländischen Casinos und ist insoweit in Deutschland zu belangen. "Mitstörer" ist derjenige, der eine andere geschäftliche Tätigkeit fördert, ohne selbst unmittelbar "Störer" zu sein.

Stefan Zwanzger & Freiherr von Gravenreuth

Stefan Zwanzger (Geldverdienst.de) & Gravenreuth


Geldverdienst.de: Der "Mitstörer" wird aber weniger bestraft als der "Störer" selbst, oder?

Gravenreuth: Das sind rein zivilrechtliche Ansprüche, strafrechtlich wäre das Ganze eine "Beihilfe" oder ähnliches!


Geldverdienst.de: Haben Sie da irgendwelche Erfahrungswerte? Was ist denn in der Hinsicht schon einmal passiert?

Gravenreuth: Strafrechtlich ist da bisher relativ wenig herausgekommen. Was strafrechtlich durchgezogen wurde, waren zum Beispiel die ganzen Raubkopierer- und Kinderporno-Geschichten. Ansonsten hält sich das Ganze aber in Grenzen, was da an Gerichtsentscheidungen durchgeführt worden ist.


Geldverdienst.de: Wenn man ein um Loyalität bemühter Webmaster ist - was muss man dann noch beachten?

Gravenreuth: Ein Impressum muss bei jeder gewerblichen Seite drauf sein. Die Vorschriften §6 TDG sind im Netz zu finden. Ansonsten kann man im Prinzip ein Regenbogen aller geltenden Gesetze aufspannen! Internet-Apotheken zum Beispiel sind noch nicht zulässig, werden aber dann in Zukunft zulässig werden - da muss man halt nachher einen angestellten Apotheker haben und es genügt nicht, mit Werkstudenten die Arzneimittelauslieferung zu fahren. Das wäre jetzt zum Beispiel ein arzneimittelrechtliches Problem.

Im anwaltschaftlichen Standesrecht ist zum Beispiel - übertrieben, wie ich meine, entspricht aber leider der Rechtssprechung - ein Gästebuch unzulässig, weil wie in Gästebüchern von Hotels angeblich in Anwalts- Gästebüchern nur Freundlichkeiten hineingeschrieben würden. Ich hatte mal ein Forum, wo man dann aber teilweise auch heftig über mich hergezogen hat und das habe ich dann aus genannten standesrechtlichen Gründen wieder dicht gemacht, bevor ich da Streß bekomme. Es gab zum Beispiel auch mal eine Auseinandersetzung zwischen Zahnärzten, weil ein Zahnarzt auf seiner Homepage nicht nur seine ärztlichen Dienste angeboten hat, sondern darüberhinaus irgendwelche Mittel zur Zahnprophylaxe verkauft hat. Und da hat die Zahnärztekammer einen Riesenaufstand gemacht, der bis zum OLG Koblenz ging!



Geldverdienst.de: Was nützt denn eigentlich noch ein Disclaimer?

Gravenreuth: Nichts. Wie vorher gesagt.


Geldverdienst.de: Was besagt denn dann das Urteil vom LG Hamburg? Oder was nützt es dann?

Gravenreuth: Im Urteil steht drin: Herr Kollege Steinhöfel hat früher die Topware AG vertreten, die ein Computerspiel namens "Emergency" herausgebracht hat. Herr Best hat die Domain www.emergency.de gehabt, wo er über Rettungsdienste berichten wollte. Das Computerspiel "Emergency" war eine Wirtschaftssimulation im Rettungsdienstwesen. Man hat darüber gestritten, ob zwischen einem Computerspiel und einem mehr redaktionellen Internetauftritt über Rettungsdienste ein Konflikt besteht. Das ist nach meiner Meinung zu Recht abgewiesen worden. Ein Computerspiel hat ein Titelschutzrecht. Aus dem Titel kann man gegen ähnliche Werke vorgehen - sicher gegen ein ähnliches Computerspiel, aber sicherlich nicht gegen einen Internetauftritt als "ähnliches Werk". Ein Internetauftritt wäre zum Beispiel einer Zeitschrift gegenüberstellbar. Herr Best hat sich darüber fürchterlich aufgeregt und es gab einen kostenlosen Server in den USA, wo man Webseiten hinhängen konnte. Und da hat jemand über den Kollegen Steinhöfel eine sehr heftige Seite generiert gehabt, die hin bis zu den heftigsten sexistischen Vorwürfen reichte. Und Herr Best hat dorthin einen Link gesetzt. Wer die Seite erstellt hat, weiß niemand. So ist Herr Best nachher belangt worden, weil er den Inhalt kannte. Und da nützt es eben nichts, wenn man darunter schreibt sinngemäß: "Dort ist so was, ich finde es toll, aber ich distanziere mich davon!"

Anderes Beispiel: auf Burks.de - Herr Burks ist ein Journalist mit Spezialgebiet Rechtsradikalismus - ist eine ewig lange Linkliste aus der rechtsradikalen Szene weltweit! Es sind aber auch wahnsinnig viele Links aus der Antifa-Szene aufgelistet. Die Staatsanwaltschaft hat bis vor kurzem gegen ihn ermittelt wegen irgendwelchen NS-Geschichten, hat das aber eingestellt, weil aus dem Gesamtkontext klar war, daß er nicht deren Position fördern möchte, sondern davor warnen und im Zusammenhang mit der Warnung auf diese Seiten hinweist.



Geldverdienst.de: Das gleiche gilt sicher für Partnerprogramm-Links: "dort ist so etwas, ich verdiene daran, aber ich distanziere mich davon!"

Gravenreuth: Genau. Das funktioniert nicht.


Geldverdienst.de: Noch eine Frage: geldbringende Links zu GmbHs. Die GmbH ist "Störer" und verschwindet, bleiben nur die "Mitstörer". Was passiert?

Gravenreuth: Bleibt alles bei den Mitstörern hängen!


Geldverdienst.de & Stefan Zwanzger bedanken sich für das Gespräch.
Danke auch an Claus Lehmann von Partnerprogramme.com